„Es geht um meine Existenz.“

„Es geht um meine Existenz.“

8. Mai 2019 17 Von Sonja Mersch

Zuerst waren es nur Gerüchte, inzwischen steht fest: Die Werkstatt von Jens Kallidat muss ab Frühjahr 2020 dem Neubauprojekt der Margarethe Krupp-Stiftung weichen (siehe WAZ-Bericht und mein Interview mit der MKS). Einen neuen Standort gibt es noch nicht – weder auf der Margarethenhöhe, noch im näheren Umkreis. Die MKS hatte für ein Grundstück neben der Feuerwache eine Bauvoranfrage gestellt, eine erste Absage gab es bereits. Nach Widerspruch seitens der MKS prüft das Bauamt die Sache jetzt erneut.

„Es geht um vier Arbeitsplätze und um meine Existenz“, sagt Jens Kallidat klipp und klar. „Das hier ist ein gut laufender Betrieb, der mehrere Generationen ernährt hat. Aber wenn es wieder ein Nein gibt, kann es sein, dass Firma Kallidat die Tore schließen muss.“

Familienbetrieb besteht seit 70 Jahren

Damit würden 70 Jahre Familiengeschichte von der Margarethenhöhe verschwinden. Jens Kallidat führt den Betrieb seit 2008 in dritter Generation. Gegründet wurde er schon 1948 von seinem Urgroßonkel Albert Eickmeier – damals zunächst nur als Werkstatt für Motorräder und kaum größer als eine Garage. Erst später wurde eine Autowerkstatt daraus, außerdem gab es damals noch eine Tankstelle einige Meter weiter Richtung Sommerburgstraße. „Das war die zweite Aral-Tankstelle in Essen“, erzählt Jens Kallidat. Seine Großeltern Hermann und Elisabeth Kallidat führten den Betrieb schließlich weiter und übergaben ihn 1983 an ihren Sohn Jochen Kallidat und seine Frau Anne – Jens Kallidats Eltern.

Ein Blick ins Familienalbum:


„Dieses vertraute Gefühl kennt man nur, wenn man hier lebt“

Dass er in die Fußstapfen von Vater und Großvater treten und die Werkstatt weiterführen würde, war für Jens Kallidat schon klar, seit er als Kind zwischen Hebebühnen und Autoreifen spielte: „Mir hat sich nie die Frage gestellt, etwas anderes zu machen“, sagt er. „Und ich kann mir auch nicht vorstellen, woanders zu arbeiten.“

Sollte kein anderer Standort für die Werkstatt gefunden werden, bleibt ihm allerdings kaum etwas anders übrig – und das schmerzt ihn ebenso wie seine treuen Kunden: „Die Margarethenhöhe ist ein Dorf, jeder kennt jeden. Dieses vertraute Gefühl kennt man wohl nur, wenn man hier lebt“, erklärt Jens Kallidat. Und: „Über 80 Prozent meiner Kunden kommen von der Margarethenhöhe, die Werkstatt ist beliebt und hat einen guten Ruf – sonst wären wir schließlich nicht seit 70 Jahren hier.“


Aus Gerüchten wurde Gewissheit

Niemals habe er damit gerechnet, dass er die Werkstatt aufgeben müsste, sagt er. Jedoch: „Als im Januar 2018 freie Wohnungen am Lehnsgrund nicht neu vermietet wurden, kamen Gerüchte auf“, erzählt er. Da für ihn im Sommer einige teure Neuanschaffungen wie Bremsenprüfstand, Hebebühne und Abgasmessgerät anstanden und zudem der Vertrag mit Bosch um fünf Jahre verlängert werden musste, fragte er vorsichtshalber bei der MKS nach. „Aber ich wurde beruhigt, ich bräuchte mir keine Gedanken zu machen – wenn etwas anstünde, wäre ich der erste, der davon erfahre“, so erinnert Kallidat die Gespräche.

Aus allen Wolken gefallen

Tatsächlich wurden jedoch seine schlimmsten Befürchtungen im Herbst vergangenen Jahres wahr, als ihn die Stiftung über die Neubaupläne informierte. „Da bin ich aus allen Wolken gefallen“, sagt er. „Ich bin immer davon ausgegangen, dass höchstens der Garagenhof abgerissen wird.“ Nicht einmal die Häuserzeile am Lehnsgrund hatte er auf der Rechnung gehabt – schließlich seien dort erst vor kurzem Dach und Hausflure saniert worden. Seine Eltern hatten 50 Jahre lang dort gewohnt, sind jetzt bereits umgezogen.


Bislang kein neuer Standort

Für seine Werkstatt habe es zunächst zwei Ideen gegeben, berichtet Jens Kallidat. „Die MKS hatte ein Grundstück in Holsterhausen gefunden, das ich mir mit meinem Vater auch angesehen habe. Wenn gar nichts anderes gegangen wäre, hätten wir das gemacht. Aber inzwischen ist das Grundstück schon neu vermietet.“ Die andere Option sei eine Fläche neben der Feuerwache gewesen. „Das hätte aus meiner Sicht gut gepasst, man hätte die Werkstatt ja entsprechend bauen können“, so Kallidat. Die Lage wäre sogar besser gewesen als die jetzige, findet er – der Abstand zur Wohnbebauung sei dort sogar größer.

Ein persönliches Gespräch mit Oberbürgermeister Thomas Kufen habe ihm zunächst etwas Hoffnung gegeben. Dennoch kam im März die Absage: Eine Werkstatt füge sich nicht in die Umgebungsbebauung ein und sei daher planungsrechtlich unzulässig (ausführlicher Bericht folgt!). „Ich kann das nicht verstehen und sehe kein Argument, das dagegen spricht“, macht Kallidat seiner Enttäuschung Luft. Widerspruch gegen den Bescheid wurde bereits eingelegt, die Entscheidung soll bis Ende Mai fallen.

Sorge um die vier Mitarbeiter

Wie die Chancen nun stehen, darüber mag Jens Kallidat nicht spekulieren – einen Plan B gibt es noch nicht. „Ich habe zusammen mit der Handwerkskammer Düsseldorf einen Werkstattplan erstellt“, erklärt er. „Mit dem Ergebnis, dass es im Umkreis der Margarethenhöhe zurzeit keine Fläche gibt, die für Neubau, Umbau oder Übernahme einer Werkstatt zur Verfügung steht.“ Und nicht nur um seine eigene, auch um die Zukunft seiner vier Mitarbeiter macht der Chef sich Sorgen – schließlich müssten die auch schauen, wo sie bleiben, wenn im Frühjahr 2020 Schluss sein sollte. „Wir haben ein gutes Arbeitsverhältnis und ich möchte keinen Mitarbeiter gehen lassen oder ihm kündigen müssen.“

In seiner Werkstatt hat Jens Kallidat eine Unterschriftenliste ausliegen – um die 500 Menschen haben dort schon bekundet, dass sie hinter ihm stehen.

Jens Kallidat spricht mit mir über seine Zukunftssorgen.

Ich werde weiter berichten. Siehe auch meinen Artikel zu Reaktionen von MKS, Handwerkskammer und einigen Essener Parteien.

Auf dem Foto ganz oben über dem Beitrag sind zu sehen: Jochen und Anne Kallidat (links), Jens Kallidat mit Freundin Sammy Käding (Mitte) und dazwischen seine Mitarbeiter Dirk Rottko, Alexander Mähl, Fabian Klose und Robert Naczynski (2. Geschäftsführer und seit zehn Jahren im Betrieb).

Alle Fotos sind von Tanja Wuschof – wundervolle Fotografin und außerdem ein Kind der Höhe. Vielen lieben Dank für Deinen Einsatz!