Serie: Kaiser und Könige zu Besuch auf der Margarethenhöhe (1)
Manfred Raub
Manfred Raub lebt seit 43 Jahren auf der Margarethenhöhe. Er ist Mitbegründer des Kunstkreises Margarethenhöhe und Inhaber des Ateliers am Laubenweg. Seit 15 Jahren ist er als Gästeführer auf der Höhe unterwegs. Aus seiner umfangreichen historischen Foto- und Postkartensammlung erstellt er regelmäßig Kalender und unterstützt auch diesen Blog mit Texten und Bildern.
Bild oben: Kaiser Wilhelm II vorne links mit langem Militärmantel in der Steilen Straße. Auf dem Bild rechts von ihm gehen Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und Georg Metzendorf. Postkarte: Slg. Manfred Raub
Berühmte Besucher der Margarethenhöhe: Kaiser Wilhelm II
Ein Groß-Ereignis für die Essener Bürger war am Anfang des letzten Jahrhunderts der Besuch des Kaisers Wilhelm II. Warum aber der Besuch des Kaisers, immerhin der höchste Repräsentant des Deutschen Reiches, auf der Margarethenhöhe? Ganz einfach: die Fa. Krupp feierte ihr hundertjähriges Bestehen. Und da Krupp damals der wichtigste Rüstungskonzern und eines der größten Industrieunternehmen Deutschlands war, war es für Wilhelm II eine Selbstverständlichkeit, diese Fabrik und die Familie Krupp von Bohlen und Halbach zu würdigen.
Zum Besuchsprogramm gehörten neben Reden und Rundgängen im Werk auch die Besichtigung von Krupp’schen Arbeitersiedlungen und natürlich auch der neu errichteten „Mustersiedlung“ für alle Essener Bürger, die Margarethenhöhe. Von Margarethe Krupp mit 50 ha Bauland und 1 Million Mark aus ihrem Privatvermögen ausgestattet, war die Margarethe Krupp-Stiftung für Wohnungsfürsorge die bedeutendste Stiftung im damaligen Deutschen Reich. Am 8. August 1912 war es dann soweit, der Kaiser besuchte die Margarethenhöhe. Einen Tag später erschien der folgende Bericht in der Essener Volks-Zeitung:
Auf der Margarethenhöhe.
Daß die getroffenen Dispositionen über die zur Verfügung stehende Zeit nicht inne gehalten werden konnten, mußten diejenigen am meisten empfinden, welche es sich vorgenommen hatten, den Kaiser auf der Margarethenhöhe zu begrüßen. Gleich nach dem Empfang an der Friedrichstraße wallte das Publikum zu Fuß und mit der Elektrischen in Scharen dorthin und als um 12 Uhr die Zugänge zur Margarethenhöhe gesperrt wurden, stand die Menge Kopf an Kopf an beiden Seiten der Brücke, des Aufgangs und der Steilen Straße und harrte der Ankunft der Automobile.
Mit fröhlichen Scherzen half man sich über die Langeweile und der nun folgenden Stunden hinweg, selbst mehrere Regenschauern ließen sich die Zuschauer gefallen, bis das Warten um 2 ½ Uhr endlich belohnt wurde. Vor dem Brückenkopf hielten die Automobile und der Kaiser ging, geleitet von Herrn Krupp v. Bohlen und Halbach die breite Treppe hinauf. Auf der oberen Terrasse wurden die Herrschaften von Herrn Professor Georg Metzendorf, dem Architekten der Stiftung, erwartet. Herr Krupp von Bohlen und Halbach stellte ihn dem Kaiser vor, der ihn in liebenswürdigster Weise anredete und ihn mit einem herzlichen Händedruck begrüßte.
Gefolgt von Frau Exzellenz Krupp und Frau Krupp von Bohlen und Halbach die vom Herrn Reichskanzler begleitet wurden und den übrigen Herrschaften, durchschritt der Kaiser mit Herrn von Krupp die Steile Straße und man konnte in seinem Gesichte das lebhafte Interesse sehen, mit welchem er die abwechslungreichen Architekturbilder, welche diese Straße bietet, beobachtete. In das von Herrn Wulfmeier bewohnte Haus Steile Straße 25, kehrte dann der Kaiser mit Herrn v. Krupp und einigen anderen Herren des Gefolges ein und nahmen dort die ganze Inneneinrichtung sehr eingehend in Augenschein, während der Herr Reichskanzler mit den Damen Krupp vor dem Hause wartete. Wohl etwa 10 Minuten hielt sich der Kaiser in dem Hause auf, so daß anscheinend dem Reichskanzler die Zeit zu lang wurde und er sich auch in das Innere des Hauses begab, um dort festzustellen, doch für seine Körpergröße nicht eingerichtet seien . . .
Sichtlich befriedigt verließ der Kaiser das Haus um sich den Marktplatz anzusehen. Mit größtem Interesse nahm er das schöne architektonische Bild dieses Platzes in sich auf und stieg dann die Treppe vor der Gebäude der Kruppschen Konsumanstalt hinauf, wo sich inzwischen die Automobile aufgestellt hatten. Bevor er in den Wagen stieg, unterhielt er sich einige Minuten mit Frau Exzellenz Krupp und man konnte deutlich sehen, wie er ihr seine Bewunderung über das Geschaute ausdrückte. Noch vom Wagen aus winkte er Herrrn Professor Metzendorf auf das freundlichste zu, ihm auf diese Weise noch seine Anerkennung für die schöne Anlage aussprechend.
Inzwischen hatten auch die übrigen Herrschaften ihre Automobile wieder bestiegen und um fünf Minuten vor 3 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung zur Fahrt nach dem Hügel.
Soweit der Augenzeugen-Bericht aus der Zeitung über den Aufenthalt des Kaisers von knapp einer halben Stunde. Bemerkenswert ist, dass „Ihre Majestät“ trotz des engen Zeitplanes geruhte, auch eine Wohnung bzw. ein Haus in Augenschein zu nehmen.