Serie Georg Metzendorf Teil I: der Designer

Manfred Raub
Manfred Raub lebt seit 1979 auf der Margarethenhöhe. Er ist Mitbegründer des Kunstkreises Margarethenhöhe und Inhaber des Ateliers am Laubenweg. Seit 2008 ist er als Gästeführer auf der Höhe unterwegs. Aus seiner umfangreichen historischen Foto- und Postkartensammlung erstellt er regelmäßig Kalender und unterstützt auch diesen Blog mit Texten und Bildern.
Portrait von Georg Metzendorf, 1906. Rechts oben: Briefkopf der Margarethe Krupp-Stiftung auf einem Schreiben von 1914, rechts unten: Briefumschlag von 1911 mit dem aufgedruckten Logo von Georg Metzendorf. Portrait-Foto: Rainer Metzendorf. Brief und Umschlag (Repros): Slg. Manfred Raub
Umfassende Gestaltung der Margarethenhöhe
Die meisten Bewohner der Margarethenhöhe kennen Georg Metzendorf als den – hervorragenden – Architekten, der die Gartenstadt Margarethenhöhe im Auftrag der Margarethe Krupp-Stiftung errichtete. Er plante aber nicht nur die unterschiedlichen Gebäude mit ihrer großen Formenvielfalt, sondern war auch für die Grüngestaltung dieser Garten-Vorstadt verantwortlich. (Siehe hierzu auch den Artikel „Die Gartenstadt“ hier im Blog.) Ebenso wurden die Straßenverläufe in der Siedlung durch ihn festgelegt. Den wenigsten dürfte aber bekannt sein, dass Metzendorf auch – heute würde man sagen Designer – als Innenarchitekt und Gestalter von Möbeln und weiteren Gebrauchsgegenständen tätig war. Schon während seiner Zeit als selbständiger Architekt ab 1905 in Bensheim beschäftigte er sich konzeptionell mit Kunstgewerbe und Design und entwarf Gebrauchsgegenstände, Schmuck, Tapeten, Insignien, Grabsteine sowie maschinell herstellbare Möbel. Auf der 1910 stattfindenden Weltausstellung in Brüssel wurden zwei von Georg Metzendorf gestaltete und komplett eingerichtete sog. „Kleinwohnungshäuser“ vorgestellt.

Gedrechselte Dose von Metzendorf, bedruckter Baumwollstoff und der Entwurf zur Lampe im Sitzungszimmer des Stiftungsvorstands im Gasthaus Margarethenhöhe. Fotos: Rainer Metzendorf. Stoffmuster: digital nachgezeichnet von Manfred Raub

Werkbundausstellung 1914 in Köln: Foto links oben: Detail einer Wandgestaltung in der Küche. Links unten und rechte Seite: Möbel-, Tapeten- und Teppichmuster im „Essener Haus“. Fotos aus: Das neue niederrheinische Dorf, Verlag Ernst Wasmuth A.G., Berlin, 1915. Repros: Manfred Raub
Möbelentwürfe für die Mieter
Professor Brinckmann schrieb in dem 1913 erschienen Buch „Die Margarethenhöhe bei Essen“ aus dem Verlag A. Koch, Darmstadt: „Man ist nicht beim Hausbau stehen geblieben, sondern hat auch versucht, die inneren Einrichtungen zu beeinflussen, wobei der Umstand, daß meist jüngere Ehepaare hier mieten, vorteilhaft mitwirkt. Metzendorfs Begabung, mit einfachen werkmäßigen Mitteln gute Wirkungen zu erzielen, hat darin Bemerkenswertes geleistet. Man spürt seine Liebe auch zu geringsten der anschaulichen Dinge. Eine Anzahl Typenmöbel werden zur Auswahl gegeben… Das Baubureau hat sich allmählich in die Rolle einer beratenden Zentralstelle auch in den Dingen der kleinsten häuslichen Kunst den Bewohnern der Margarethe Krupp-Stiftung gegenüber eingelebt. Fragen braucht nur, wer es aus eigenem Wunsch will. Er findet hier Läufermuster, Stoffe, Gardinenproben, und selbst für das tägliche Hausgerät wird ihm ein nützlicher Wink gegeben. Schon bei einem flüchtigen Gang durch die Siedelung fallen die geschmackvollen kleinen Scheibengardinen auf und die hübsche Art ihrer Anbringung und Raffung.“

Wohnzimmer und Wohnküche sowie Beispiele für Gardinen und Vorhänge, vor 1920. Fotos aus: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen, Verlagsanstalt Alexander Koch, Darmstadt, 1920. Repro: Manfred Raub

Kinderzimmer und Schlafzimmer, 1912. Fotos aus: Handbuch neuzeitlicher Wohnkultur, Verlagsanstalt Alexander Koch, Darmstadt, 1912. Repros: Manfred Raub
Im Buch „Kleinwohnungsbauten und Siedlungen“ aus der Verlagsanstalt A. Koch, Darmstadt von 1920 schreibt der damalige Direktor des Folkwangmuseums Gosebruch: „… man muss schon den Reichtum seiner Künstlereinfälle kennen, seine Neigung zur Kleinkunst, die ihn allerlei zierlichen Hausrat, Döschen, Kugelkettengehänge, Leuchter, Lampenfüße drechseln läßt …“ Und weiter: „Metzendorfs warmherziger Plan, auch das Innere seiner Häuschen mit seinem Geist zu durchdringen, ihren Insassen als Berater in Einrichtungsfragen, als Entwerfer geschmackvollen und zugleich wohlfeilen Hausrats zur Seite zu stehen, hatte vor dem Krieg (Anm.: 1914-1918) schon zu schönen Ergebnissen geführt …“
Die oben genannten Läufermuster sowei die unterschiedlichsten Wandgestaltungen kann man – neben vielen Möbel-Beispielen – auf Fotos in der zitierten Literatur erkennen.

Links: Schreibtisch, dekoriert mit gedrechselten Behältnissen und Kerzenständer. Rechts oben und unten: Möbel- und Läufermuster. Fotos aus: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen, Verlagsanstalt Alexander Koch, Darmstadt, 1920. Repros: Manfred Raub
Komplette Gestaltung der Wohnungseinrichtungen
Zu den erwähnten „Typenmöbeln“ schreibt Metzendorfs Enkel, Rainer Metzendorf, 1994 in seinem Buch: „Georg Metzendorf 1874 – 1934, Siedlungen und Bauten, Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte“:
„Zur Aufgabe von G. Metzendorf gehörte es, die Bewohner bei der inneren Gestaltung der Häuser unentgeltlich zu beraten. Bereits in der ersten Bauperiode wurden drei Musterwohnungen komplett eingerichtet und mit dem täglichen Hausgerät ausgestattet. G. Metzendorf entwickelte hierfür eine Reihe von einfachen, soliden Typenmöbeln, die sich den Zuschnitten der Wohnungsgrundrisse anpaßten und von der Fabrik Wilhelm Mainzer (Heppenheim) und der Firma Bernhard Rincklage (Münster) in Serie hergestellt wurden. Die Preise hierfür waren recht günstig und lagen für eine gesamte Wohnungseinrichtung bei annähernd 1.200 Mark. Um den Mietern den Kauf des Mobiliares schon zum Einzug zu ermöglichen, stellte die Margarethe Krupp-Stiftung zinslose(!) Darlehen zur Verfügung. Diese Typenmöbel wurden von den Bewohnern der Margarethenhöhe gut angenommen und fanden bei der Tischlerinnung im Großraum Essen reichlich Nachahmung.“

Schlafzimmerschrank und Kommoden aus Eiche, 20er-Jahre, Sammlung RuhrMuseum Essen. Fotos: Manfred Raub
Musterwohnung in der Stensstraße 27
Die „Musterwohnung“ des RuhrMuseums in der Stensstraße ist mit Metzendorf-Möbeln beispielhaft ausgestattet und kann nach Absprache im Rahmen einer Führung – durchgeführt von der Bürgerschaft (www.buergerschaft-margarethenhoehe.de) oder dem RuhrMuseum – besichtigt werden.
Wird fortgesetzt.

Polsterstuhl und Schrankdetail, 20er-Jahre; Sammlung RuhrMuseum Essen. Fotos: Manfred Raub

Bemalte Kommode, 20er-Jahre; Sammlung RuhrMuseum Essen. Foto: Manfred Raub