Die Margarethen-Brücke
Heinz Kaschulla
Heinz Kaschulla lebt seit über 70 Jahren auf der Margarethenhöhe. Er trägt persönliche Erinnerungen und historische Fakten über seinen Heimatstadtteil zusammen - für sich selbst, seine Kinder und Enkelkinder. Und auch für diesen Blog stellt er seine umfangreichen Recherchen zur Verfügung.
Foto oben: 1909, Zufahrtsbrücke Margarethenhöhe, Zeichnung Georg Metzendorf, BSM-Archiv
Die Margarethen-Brücke
Das Gelände, das Margarethe Krupp erworben hatte und davon einen Teil der Stiftung für den Bau der Siedlung zur Verfügung stellte, war Ackerland, landwirtschaftliche Nutzfläche und Wald. Zwischen den Höfen und Kotten gab es unbefestigte Verbindungen, durch Wagenspuren gezeichnet.
Vom Hof Hülsmann gab es eine Verbindung am Hof Kersebaum (später Krampe) vorbei zum Hof Wortberg und weiter zum Hof Dellmann, der an Kreuzung der heutigen Straßen Norbertstraße / Sommerburgstraße lag. Dort traf der Karrenweg auf die Verbindung von Rüttenscheid nach Kettwig, die später auch Kettwiger Chaussee oder Verbandstraße und dann Norbertstraße genannt wurde.
Am Hof Stennes oder Stens trafen sich eine weitere Wagenspur vom Hülsmannshof und eine weitere vom Hof Wortberg. Ab hier gab es dann eine Verbindung zur Bürgermeisterei Rüttenscheid, zu der das Gelände der späteren Margarethenhöhe noch gehörte. Ziemlich in der Mitte dieser Verbindung zweigte eine Spur zur Brandsmühle ab, die im Tal des Borbecker Mühlenbachs lag, und die in der Verlängerung Richtung Stadt Essen führte.
Das Tal überwinden
Zum Süden Richtung Hof Dellmann ging es bergauf, die Wagenspur war nicht von Bächen oder Tälern beschwert. Anders war es bei den Verbindungen nach Essen und Rüttenscheid: Richtung Rüttenscheid musste das Tal überwunden werden in dem der Borbecker Mühlenbach, von Bredeney kommend, floss. Jeder der die Wagenspur nutzen wollte musste ins Tal hinab und dann wieder hinauffahren. Bei oder nach Regenwetter eine matschige Angelegenheit. Die heute vorhandene Brücke (über dem Magarethensee in der Gruga für die Lührmannstraße) existierte noch nicht.
Richtung Stadt Essen musste das tiefere und breitere Tal des Borbecker Mühlenbaches, dort wo sich heute die Margarethenbrücke befindet, der hier inzwischen mehr Wasser führte, überwunden werden. Der Abstieg ins Tal war beschwerlich und der Anstieg auf nördlicher Seite nach Holsterhausen noch schwieriger.
Als Georg Metzendorf begann einen Plan für die Gestaltung der Margarethenhöhe zu entwerfen, musste er auch Verbindungswege von und zur Siedlung festlegen. Die Siedlung über den Süden an die Stadt Essen anzubinden war nicht ideal. Nach Osten über Rüttenscheid war denkbar, aber sinnvoller erschien eine direkte Anbindung über das Mühlbachtal nach Holsterhausen.
Eine Brücke aus Sandstein
Das Mühlbachtal vor der hohen Erhebung nach Norden zu Holsterhausen war breit, es gab im Tal bereits zwei Straßen, den Bach und die seit dem 19. Jhdt. existierende Eisenbahnverbindung für den Kohletransport von Heißen nach Altendorf (Ruhr).
Metzendorf bot mehrere Varianten der Siedlungs-Anbindung an: die Aufschüttung eines Dammes über das Tal mit vier Tunnel-Röhren für die Durchlässe von Bach, Bahn und den Straßen, Konstruktion einer Stahl -Beton-Brücke oder einer Brücke aus gemauertem Ruhr-Sandstein.
Die Damm-Aufschüttung scheiterte an den Kosten, besonders wegen der erforderlichen Grundstücks-Käufe und der damit verbundenen zeitlichen Abwicklung. Die Stahl-Beton-Variante hätte das so idyllische Bild des Mühlbachtals entstellt. Die Wahl fiel -wie bekannt- auf die gemauerte Sandstein-Variante. Der Bau der Margarethenbrücke begann 1910 und sie wurde 1912 fertig gestellt.
Transportweg für Baumaterial
Während der Bauzeit der Brücke wurden zeitgleich die ersten Häuser des 1. Bauabschnittes gebaut und fertiggestellt. Für den Bau der geplanten vielen Gebäude wurden große Massen an Baumaterial benötigt, welche über einen der o.g. Wege transportiert werden mussten. Die waren immer noch, erst recht nach Regen, sehr sumpfig.
Um die Anlieferung der Materialien zu vereinfachen hatte der Brückenbau hohe Priorität. Auch der gesamte Hausrat der ersten Wohnungs-Mieter musste durch die sumpfigen Wagenspuren den Weg nehmen, die Anlieferungen sollten dann aber Erleichterung durch die Brückenverbindung bekommen.
Neue Straßen
Das Kopfende der Brücke auf Holsterhauser Seite lag nicht an einem durch Wagenspuren vorgegebenen, bereits vorhandenen Anschluss an die Straßen der Stadt Essen. Von der heutigen Kreuzung der Hufelandstraße / Kaulbachstraße, von wo aus der Hohlweg über Holsterhausen kommend zum Bereich der Margarethenhöhe führte, wurde eine neue Straße gebaut, die hinunter zum Brückenende auf Holsterhauser Seite führte. Hierdurch sollte die Steilheit des Anstieges abgeflacht werden, auch in Voraussicht der Einrichtung einer Straßenbahn-Verbindung.
Begleitend zu dieser neuen Straße wurde auf dieser auch die Weiterführung des Schienennetzes der Straßenbahn bis zur Taltiefe des Mühlbachtals gebaut und endete dort. Die Haltestelle wurde „Mühlbachtal“ genannt, eine Umbenennung in „Halbe Höhe“ erfolgte erst später.
Fußgänger und Radfahrer
Nachdem 1912 die Brücke fertiggestellt war, konnten Fußgänger und Radfahrer die Brücke nutzen, alle schwereren Transport-Formen noch nicht. Als 1914 die Trockenphase der Baumasse abgeschlossen war, durften dann auch die schwereren Transport-Systeme, wir Kutschen oder Autos, die Brücke passieren. Auch wurde die Streckenführung der Straßenbahn verlängert bis zur neuen End-Haltestelle „Brückenkopf“.
Metzendorf hatte eigentlich vorgesehen, am Brückenende auf der Seite der Margarethenhöhe zwei Pavillons zu errichten, doch als die Brücke dann gebaut war entschied er sich für den Standort am Brückenende auf Holsterhauser Seite. In den westlichen Pavillon zog die Polizei ein, in den östlichen die Familie Schubert, die hier einen Kiosk und einen Fahrschein-Verkauf betrieb. Die Pavillons wurden im Krieg 1939-1945 zerstört und in dieser Form nicht wieder aufgebaut.
Regenwasser wurde zum Problem
Als 1914 die Brücke auch für schwerere Lasten verwendbar wurde, konnten Schienen für die Straßenbahn von der Haltestelle „Mühlbachtal“ über die Brücke bis zum neuen Endpunkt „Brückenkopf“ verlegt werden. Die Endhaltestelle lag gegenüber der Mündung der Winkelstraße in die Sommerburgstraße.
Die Versiegelung der Oberflächen nahm im Laufe der Zeit durch z.B. feste Straßendecken und Bebauung immer mehr zu, sodass das Regenwasser aus allen Richtungen zur Brücke floss. Von der Holsterhauser Straße, vom Piloty-Berg, von der Straße Halbe Höhe, von der Sommerburgstraße, der Stensstraße und dem Brückenkopf floss und fließt das Wasser bei Starkregen oder Wolkenbrüchen auf die Brücke, die von Metzendorf aus gestalterischen Gründen gewollt einen konkaven Straßendecken-Verlauf hat.
Zwar sind auf der Brücke Einlässe und an den Brückensäulen Wasserspeier vorhanden die das Regenwasser ableiten sollen, doch reicht das Durchlass-Volumen anscheinend nicht aus, die Wassermassen direkt zu bewältigen. Kommen Blätter, die von den umliegenden Wäldern kommen, hinzu, wird es noch problematischer. Bereits 1930 war die Brücke schon einmal bis zur halben Geländer-Höhe vollgelaufen, Bilddokumente zeigen dies.
In den Folgejahren wurden die Schienen der Straßenbahn verlängert und in mehreren Schritten erst bis zum Laubenweg, dann bis zur Lührmannstraße und danach bis zur Straße Lührmannwald verlängert.
Beschädigung und Instandsetzung
Während des Krieges 1939-1945 wurde die Brücke stark beschädigt und dann wieder instandgesetzt.
1977 musste der Schienenverkehr von Holsterhausen bis zur Endhaltestelle Lührmannwald eingestellt werden. Ein Schienensystem-Wechsel stand an. Das Stadtbahn-Netz, das eine andere Spurweite verwenden sollte, wurde vorbereitet. Busse ersetzten übergangsweise den Schienenverkehr. Auch die Schienen auf der Brücke wurden ausgewechselt. Die Busse und alle anderen Fahrzeuge mussten während dieser Zeit alternative Wege nutzen.
Als dann 1981 die neuen Stadtbahn-Züge, die nur noch Hoch-Bahnsteige nutzen konnten, eingesetzt werden sollten, war der Brücken-Verkehr während des Baus des neunen Bahnhofs „Halbe Höhe“ erneut eingeschränkt.
Im Laufe der Jahre traten an der Brücke immer mehr Mängel und Schäden auf. Die Brücke wurde mit Betonschalen von unten unter den Brückenbögen gestützt. Das Entwässerungsproblem scheint nicht ganz unbeteiligt an den fortschreitenden Schädigungen zu sein. Die Stadtverwaltung verweist seit längeren Jahren darauf, dass die Schienenanlage wohl neben den defekten Abwasser-Rohren der Verursacher sei. Untersuchungen von Ingenieur-Büros sind zwar erfolgt, doch bis heute keine Maßnahmen dadurch ausgelöst worden. Die Verwaltung verweist hier auf die Denkmalschutz-Behörde als „bremsende“ Kraft.
In jedem Jahr seit 2019 wurde die Sanierung priorisiert und dann verschoben. Zuletzt wurde geplant, die Sanierung 2023 durchzuführen, was aber auch nicht erfolgte. Diese Zeit war wohl der Ruhrbahn als Betreiber der Straßenbahn zu lang, denn die Gleisbögen auf beiden Seiten der Brücke waren abgenutzt, es bestand wohl Gefahr, dass U-Bahn-Züge entgleisen könnten. Seit Anfang 2022 fuhren die Züge, auch wegen der Brückenschäden, nur im Schritt-Tempo über die Brücke, bis die Gleisbögen in Februar und März 2022 ausgetauscht wurden.