Bürgerschaft in der Krise
Die Luft war zum Schneiden am Donnerstagabend am Helgolandring: Im stickigen Katharina-von-Bora-Saal drängten sich rund 75 Mitglieder der Bürgerschaft Margarethenhöhe, vor der Tür bildete sich zeitweise eine lange Schlange. Bei dieser ersten Versammlung seit dem Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden und der ersten Kassiererin ging es um Zahlen und Zahlungen. Und um die Frage, was seit dem Sommer 2022 eigentlich los war?
„In der Bürgerschaft haben sich viele Dinge äußerst negativ entwickelt. Zum Jahreswechsel 2023/24 würde ich die Situation sogar als desaströs bezeichnen“, begann Martin Weber, bislang Stellvertreter und seit Februar kommissarischer Vorsitzender, seinen Bericht über die vergangenen zwei Geschäftsjahre. Durch fehlende aktuelle Mitgliederlisten und Probleme mit der Kassenübergabe sei der neue Vorstand zunächst kaum handlungsfähig gewesen. Es habe zwar schöne Veranstaltungen wie Bürgerfest, Seniorennachmittag, St. Martin oder den neuen Feierabendmarkt gegeben, eine ordentliche Mitgliederversammlung allerdings nicht, obwohl die Satzung dies vorsehe. Zwischenmenschliche Konflikte hätten sich zugespitzt, der Ton innerhalb des Vorstands sei rauer geworden, „einer Bürgerschaft Margarethenhöhe oft unwürdig“, so Martin Weber.
„Finanzielle Unregelmäßigkeiten„
Ende 2023 seien finanzielle Unregelmäßigkeiten aufgefallen, nach Zugriff auf die Bücher habe man die Konten „fast leergefegt“ vorgefunden. Im Februar dieses Jahres traten der erste Vorsitzende Christian Henkes sowie die Kassiererin zurück. Der verbliebene Vorstand um Martin Weber habe seitdem versucht, Buchungen nachzuvollziehen und zuzuordnen. Aufgefallen seien ungewöhnlich hohe Tank- und Bewirtungskosten und fehlende Belege, auch sei unklar, was mit Einnahmen aus einer Spendensammlung für die Ukraine geschehen sei. Obwohl laut Satzung nicht erlaubt, sei an einige Mitglieder eine Ehrenamtspauschale ausgezahlt worden. Insgesamt, so Martin Weber, sei der Verbleib einer Summe von rund 10.000 Euro ungeklärt. Die Staatsanwaltschaft sei informiert worden. Um möglicherweise Gelder zurückfordern zu können, müsse der jetzt neu zu wählende Vorstand jedoch selbst Klage einreichen.
Als der Kassenprüfer der Bürgerschaft an der Reihe war, stapelte er sechs dicke Aktenordner mit lautem Knallen auf einem Stuhl und warnte vor, sein nun folgender Bericht sei „erschreckend“. Seit Juli 2022 habe er viele fehlerhafte Belege und Ausgaben ohne richtige Rechnung vorgefunden. „Eine solche Kassenführung entspricht nicht der Vereinssatzung und ist der Kassenverwaltung eines Vereins nicht würdig“, sagte er und empfahl, den Vorstand nicht zu entlasten. (Anmerkung: Nur so können weiterhin mögliche Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden.)
Austritt aus dem Verein
Christian Henkes meldete sich mehrfach selbst zu Wort. Er verneinte, dass dem Verein 10.000 Euro „verloren gegangen“ sein. Er sei im übrigen zu keinem Zeitpunkt gebeten worden, strittige Fragen aufzuklären. Die angeblich verschwundenen Ukrainespenden seien nicht wie geplant an den Verein „Ärzte ohne Grenzen“ geflossen, da sich eine wohltätige Spende außerhalb der Margarethenhöhe nicht mit der Vereinssatzung vertragen hätte. Das Geld sei stattdessen für die Renovierung von Sitzbänken für den Stadtteil verwendet worden. Die übrigen Anschuldigungen, von denen er überhaupt erst kürzlich erfahren habe, kämen ihm unwahrscheinlich vor und müssten erst bewiesen werden. Einzig die Ehrenamtspauschale sei ein Fehler gewesen – über eine mögliche Rückzahlung werde man zu anderer Zeit reden. Angriffe auf die – bei der Versammlung nicht anwesende – erste Kassiererin halte er für persönlich motiviert. Sie sei eine der wenigen zuverlässigen Helferinnen bei nahezu jeder Veranstaltung gewesen. Mitglieder forderten dennoch einen Ausschluss aus dem Verein. Dem kam Christian Henkes zuvor: Er hatte seine Kündigung bereits mitgebracht.
Auch gegen die verbliebenen Vorstandsmitglieder hagelte es aus dem Plenum Kritik: „Wie kann es sein, dass ihr erst so spät reagiert habt?“ Darüber herrschte bei vielen Mitgliedern vollkommenes Unverständnis. „Wir hätten früher hingucken müssen, den Schuh ziehe ich mir an und kann nur sagen, dass mir das Leid tut“, sagte Martin Weber. Bei seiner Wahl vor zwei Jahren habe er eigentlich im Sinn gehabt, der Margarethenhöhe etwas zurückgeben zu wollen.
Niemand kandidiert für Vorstandswahlen
Für einen Moment konnte man erahnen, welcher Geist die Bürgerschaft einmal zusammengehalten haben muss: Rixa Gräfin von Schmettow erhob sich und fragte: „Warum gibt es das Ehrenamt, warum gibt es die Bürgerschaft? Weil sie wichtig ist für einen kleinen Stadtteil wie die Margarethenhöhe. Jetzt müssen wir neu anfangen und uns auf den Kern besinnen: das Miteinander auf der Margarethenhöhe.“ Dafür gab es Beifall von allen Seiten.
Für einen Neuanfang war einer der letzten Tagesordnungspunkte vorgesehen: Neuwahlen des Vorstands. Doch dazu kam es nicht, denn niemand meldete sich, um für eines der sechs Ämter zu kandidieren. Vielleicht aus Gründen. Doch eines ist klar: Sollte im September – dann ist eine außerordentliche Sitzung geplant – keine Kandidat:innen zur Wahl stehen, könnte es das Aus für den Verein bedeuten.
Foto: Tanja Wuschof
An wem müsste ich mich wenden wenn ich konkretes Interesse hätte im Rahmen der Vorstandsfunktion den Verein wieder nach vorne zu bringen?
Hallo Melvin,
wenn Du Mitglied in der Bürgerschaft bist, würde ich mich an den noch existierenden Vorstand werden, also Martin Weber. Auf der website der Bürgerschaft gibt es ein Kuntaktportal.
Wenn Du noch kein mitglied bist mittels des enbenfalls dort vorhandenen Aufnahmeantrags-Formular.
hallo Melvin.
magst Du mich einmal direkt kontaktieren zu dem Thema?
webkontakt@gartenstadt45149.de
Heinz Kaschulla
Schade finde ich die Einstellung von Herrn Bunk, dass die Bürgerschaft auflösenswert wäre.
Eine Einrichtung, die seit ca. 100 Jahren unter unterschiedlichen Namensführungen existiert. Egal, ob unter „Verein Frohsinn..“, „WIVEMA“, mit „BKB“ oder eben „Bürgerschaft“ ging es um GEMEINSCHAFTSINN, das scheint bei den einen oder anderen Bewohnern (oder Zugereisten?) verlorengegangen zu sein.
Die Bürgerschaft lebt nicht von zugucken sondern vom machen, zumindest mitmachen.
Gesucht werden jetzt ja MACHER, die es besser als alle vorher machen können oder zumindest wollen,
…die motivieren und nicht demotimieren oder zerreden.
Vielleicht regen diese Zeilen zun TUN an?
Hallo Heinz, Danke für deine klaren Worte. Ich glaube nicht, dass ein paar dubiose Gestalten es schaffen, mit rechtlich und moralisch fragwürdigem Verhalten eine um die 100 Jahre alte Institution in die Knie zu zwingen. Dafür ist der gesellschaftliche Zusammenhalt m.E. zu stark.
Hier ist Schulterschluss gefragt. Und ich denke, den wird es jetzt umso mehr geben!
Viele liebe Grüße,
Christian
Im Fernsehen wird immer wieder über die ehrenamtliche Tätigkeit der BundesbürgerINNEN berichtet und z.B. der Kreis Höxter gelobt, in dem 75 % der Personen ehrenamtlich tätig sind. Auch auf der Margarethenhöhe engagieren sich viele insbesondere in den Kirchen und beim TUSEM ehrenamtlich. Insofern sind hauptsächlich diejenigen durch den Kommentar von Herrn Mette angesprochen, die zur Zeit nicht eherenamtlich tätig sind.
Lieber Herr Kreuzfelder,
ja, wir sollten froh sein, dass es so ist.
Weniger bekannt scheint zu sein, dass es ausserhalb dieser sicher wichtigen ortsansässigen Einrichtungen auch unzählige ehrenamtlich tätige Personen gibt, die in hier nicht genannten Organisationen tätig sind, ohne die in unserem Sozialstaat vieles nicht reibungslos liefe.
z.B. in Jugendorganisationen, Musikgruppen, in Pflege, Betreuung von älteren Personen und Behinderten usw.
Gerade veröffentlicht wurde, dass über 40 Millionen Deutsche von den 84 Millionen hier legenden Einwohnern ehrenamtlich tätig sind.
Beachtenswert, oder?
Empfehle die Auflösung des Vereins.
Denn, eine müde Bürgerschaft kann keinen aktiven Verein hervorbringen.
Es ist ja so, dass alle Vereine den Vorstand bekommen, den sie verdienen. Wenn von ca. 600 Mitgliedern nur 30-50 zu den Wahlen erscheinen und sich bei möglichen Kandidaturen wegducken, kommt sowas raus. Unqualifizierte Vorstände und Abnicker. Bei 5 Vorstandsmitgliedern und bis zu 7 Beisitzern darf so etwas nicht passieren! Ich spreche da aus Erfahrung, weil ich aus diesen Gründen den Verein 2022 zum zweiten Mal verlassen habe. Aber ich will hier jetzt nicht die Axt schwingen, vielmehr sollten alle (zumindest die Mitglieder) nun reiflich überlegen, ob man dieses gegen die Wand gefahrene Vehikel dort liegen lässt oder in die Hände spuckt und nicht nur Reparaturversuche anstellt, sondern eine Komplettsanierung in Angriff nimmt. Wert wäre es schon…