Der Brückenkopf
Manfred Raub
Manfred Raub lebt seit 43 Jahren auf der Margarethenhöhe. Er ist Mitbegründer des Kunstkreises Margarethenhöhe und Inhaber des Ateliers am Laubenweg. Seit 15 Jahren ist er als Gästeführer auf der Höhe unterwegs. Aus seiner umfangreichen historischen Foto- und Postkartensammlung erstellt er regelmäßig Kalender und unterstützt auch diesen Blog mit Texten und Bildern.
Foto oben: Erster Entwurf von Georg Metzendorf zum Brückenkopf, Aquarell von 1909. Foto: Rainer Metzendorf
Bauwerk als Blickpunkt
Der Brückenkopf – unbestreitbar der Eingang zu einer besonderen Siedlung: der Gartenstadt Margarethenhöhe. Als Georg Metzendorf 1909 den Auftrag zum „Ausbau des Stiftungsgeländes“ der Margarethe Krupp-Stiftung für Wohnungsfürsorge erhielt, muss es für ihn als einen jungen Architekten eine sehr herausfordernde Aufgabe gewesen sein. Es wird ihm auch schnell klar geworden sein, dass diese einzigartige Chance eine in sich geschlossene Gartenstadt zu errichten, nach einem besonderen Entrée verlangte. Mit dem Bau der notwendigen Brücke über das Mühlbachtal und die dort verlaufende Bahnlinie ergab sich die Möglichkeit, ein imposantes Bauwerk als Blickpunkt zu planen. Jeder, der aus den Stadt kommend die Brücke überquerte, sollte den Eindruck erhalten, dass hier ein außergewöhnlicher Stadtteil entstanden ist.
Torhaus und Treppenanlage
In einem ersten Entwurf von 1909 hatte Metzendorf schon eine imposante Treppenanlage skizziert (siehe Foto ganz oben). Die beiden flankierenden Löwen kamen allerdings nicht zur Ausführung, sondern die angedachten Brunnen rückten aus der Mitte an die beiden Seiten der Treppe. Ansonsten hatte sich gegenüber der ersten Skizze in der Ausführung des Torhauses nicht viel verändert. Im Jahr 1935 wurde dann in der Mitte der Treppe die Stele mit der, von Joseph Enseling gestalteten, Plakette zu Ehren von Margarethe Krupp im Beisein von Berta und Gustav Krupp von Bohlen und Halbach eingeweiht.
Zerstörung und Wiederaufbau
Im zweiten Weltkrieg stark beschädigt (die Steile Straße war im unteren Drittel völlig zerstört und wurde verändert wieder aufgebaut), wurde das Torhaus nach den alten Plänen wiederhergestellt. Das völlig zerstörte Häuschen Am Brückenkopf 8 wurde allerdings erst im Jahr 2006, ermöglicht durch eine Spende der Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, zum hundertsten Geburtstag der MKS originalgetreu wiederaufgebaut.
Bemerkenswert ist, dass dieses Haus das erste fertiggestellte Gebäude auf der neu entstandenen Margarethenhöhe war und für einige Zeit das Baubüro von Georg Metzendorf beheimatete. Es war damit auch das letzte Haus, das nach dem II. Weltkrieg wieder aufgebaut wurde.
Heimatgeschichtliche Ausstellung
Das Haus beherbergt seit 2007 die „Heimatgeschichtliche Ausstellung“ der Bürgerschaft Essen-Margarethenhöhe e. V. und ist bei freiem Eintritt Samstag und Sonntag von 15 bis 17.30 Uhr geöffnet. In der Ausstellung werden viele interessante Details zur Geschichte und zum Bau der Margarethenhöhe als Fotos und Bildschirmpräsentation – vor allem auch im Kontext zur Wohnsituation in Essen um 1920 – gezeigt. In der ersten Etage erhalten Besucher unter anderem auch einen Eindruck von der ehemaligen Künstlerkolonie Margarethenhöhe. Original-Radierungen von Hermann Kätelhön, der als erster Künstler 1917 zur Margarethenhöhe kam, werden ebenso gezeigt wie ein Silber-Essbesteck aus den 1930er Jahren der Goldschmiedin Elisabeth Treskow, die im Werkhaus ihre Werkstatt bezogen hatte. Eine Essener Stadt-Vase der „Keramischen Werkstatt Margaretenhöhe“ hat ebenfalls ihren Platz in einer der Vitrinen gefunden.
Erwähnungen des Brückenkopfs
Textauszug von Museumsdirektor Gosebruch, Essen; aus „Georg Metzendorf – Kleinwohnungsbauten und Siedlungen“ Verlagsanstalt Alexander Koch, Darmstadt 1920:
„Über das Mühlbachtal spannt sich in sieben schön geschwungenen Bogen aus Ruhrsandstein höchst eindrucksvoll eine mächtige Brücke. Von dem Vorplatz, auf den sie mündet, legt sich nach beiden Seiten eine Fahrstraße in bedeutender Kurve um die Siedlung, hier endet die von der Stadt kommende Straßenbahn. Die Unterstadt, vor der wir stehen, liegt hoch darüber, von gemauerten Böschungen eingefaßt.
In deren Mitte ist im Zug der Brücke eine Freitreppe eingeschnitten, die zu einem Torgebäude leitet, in dem flachgewölbte Bogen, ein breiter mittlerer, zwei schmälere seitliche, den Blick auf die zum Markt ansteigende Steilestraße freigeben. Gegen diese bei aller Bescheidenheit der Formen großartige Anlage, die steinernen Böschungen, die oben einen Mauerkranz bilden, hinter dem die ersten Häuser hervorlugen, dazwischen das stolze Motiv der in zwei Absätzen aufstrebenden Freitreppe, von Brunnen und Flaggenmasten flankiert, im Hintergrund die durch zwei vorspringende Häuschen hofartig gestaltete Gruppe der Torgebäude – hat man eingewendet, das sei zu viel.
Indessen muß man sich vor Augen halten, daß der ganze Aufwand keineswegs künstlich hineingetragen ist, vielmehr sich aus der gegebenen Situation durchaus natürlich entwickelt. Und es ist weiterhin gegen die Häuser an der Steilenstraße, die mit Giebeldächern in bergischer Art geschmückt sind, eingewendet worden, das sei Altertümelei, ein Vorwurf, dem der Baumeister selber Recht zu geben scheint, da er seine späteren Häuser immer mehr auf eine schlichte, kastenartige, nur durch die Reinheit ihrer Maßstäbe wirkende Form zu bringen sucht. Nun soll hier nicht gerade Giebelhäusern das Wort geredet werden, aber für die baukünstlerische Gesinnung, die aus der Verwendung stimmungschaffender Motive spricht, sei doch ein warmes Wort gestattet.
Weitberühmte Gartenstädte, etwa Hellerau, erfüllen den Wanderer keineswegs mit solchem Behagen, wenn sie ihm, der über das Feld kommt, ganz unvermittelt, ohne ein Willkommen ihre Straßen öffnen, und es ist nicht dasselbe, wenn sie ihn dann beim Weiterschreiten nach und nach ihre Wohnlichkeit fühlen lassen.
Wer nach des Tages Arbeit von dem der Margarethen-Höhe gegenüberliegenden Krankenhaushang zum Tal herabsteigt, dem muß der Anblick des von einer Laterne sanft erhellten Torbogens den ganzen Weg lang schon das Herz erwärmen, und wenn er ihn durchschritten hat, dann werden die anheimelnden, an alte Zeiten und Weisen unmerklich anklingenden Giebelhäuser der Steilenstraße weiterwirken, ihn die Friedlosigkeit der Stadt, die hinter Tor und Brücke liegt, vergessen zu machen. Daß Margarethen-Höhe auch in Wind und Wetter so traulich auf den Näherkommenden wirkt, liegt an dem eindrucksvollen Wahrzeichen seines Brückenkopfes.“
Münzen, Zeichnungen, Postkarten
Postkarte und Repro: Sammlung Manfred Raub
Ein sehr aufschlussreicher Artikel. Auch von meiner Seite herzlichen Dank dafür. Ich habe mich immer gefragt, ob die beiden Brunnenanlagen links und rechts der Treppe jemals in Betrieb waren. Auf den historischen Fotos kann ich das nicht so richtig erkennen.
Ein sehr schöner Artikel.
Herzlichen Dank dafür.