Aus Liebe zu Tunesien

Aus Liebe zu Tunesien

19. Dezember 2021 3 Von Sonja Mersch

Es gibt diesen einen, magischen Ort auf der Welt, in den man sich verliebt und der einen nicht mehr loslässt. Für Tina und Raja Boujemil ist Sidi Bou Saïd genau dieser Ort. Das Künstlerdorf im Norden Tunesiens hat es dem Paar angetan – und das zunächst vollkommen unabhängig voneinander. Beide sind in Deutschland geboren, haben sich aber durch ihre Faszination für Tunesien kennen- und liebengelernt. Mittlerweile haben sie sich neben ihren eigentlichen Hauptberufen noch ein gemeinsames, kleines Business mit handgewebten, tunesischen Hamam-Tüchern aufgebaut: „Sidi Beau“, ein Name, der an ihre gemeinsame Lieblingsstadt erinnert. Warum wir Euch Tina und Raja hier auf unserem Blog vorstellen? Ist doch klar: Sie wohnen seit fünf Jahren zusammen auf der Margarethenhöhe, und wir waren neugierig, wer eigentlich hinter den türkisblauen „Sidi Beau“-Werbeflyern steckt, die vor einiger Zeit in vielen Briefkästen auf der Höhe gelandet sind.

Familie und Fernweh

Raja ist 45 und kommt aus Essen-Werden, aber seine Eltern stammen ursprünglich aus Tunesien, genauer gesagt aus Tunis. Dort lebt auch noch ein großer Teil seiner Familie, den er oft besucht. Tinas Verbindung zu Tunesien war immer das Fernweh: „Ich bin unheimlich viel durch Marokko und Tunesien gereist“, erzählt die 39-jährige. Kurz nachdem sie Raja im Internet kennengelernt hatte – er sprach sie auf ihren Nicknamen „Sidi Bou“ an – flog sie auch schon mit ihm für einen Kurzurlaub nach Tunesien. Die gemeinsame Liebe für Land und Leute brachte die beiden zusammen, viele weitere Reisen nach Tunesien folgten. „Wir lieben es, stundenlang durch die magisch wirkenden Gassen der Altstadt zu schlendern, alte Bekannte zu treffen und immer wieder Neues zu entdecken“, erzählt Raja. Mit Koffern voller Geschenke ging’s nach Tunesien und mit landestypischen Mitbringseln – von traditionellen Gewürzmischungen über Naturkosmetik bis hin zu handgemachten Accessoires für die Daheimgebliebenen – zurück.

Das Künstlerdorf Sidi Bou Saïd im Norden Tunesiens: Einst Ort der Inspiration für Künstler wie Macke und Klee, heute Lieblingsort und Namensgeber für das StartUp. Der Platz rund um das Café Des Nattes ist ein beliebtes Postkartenmotiv.

Tischdecke und Saunatuch

„Und dann haben wir einfach mal 30 bis 40 Tücher mitgenommen“, erinnert sich Tina. Die tunesische Handwerkskunst, mit der dort Leinen- und Baumwolltücher gewebt werden, hatte es ihnen angetan. „Jeder Ort hat sein eigenes Design, einfarbig oder mit Mustern“, erklärt Raja. In Tunesien würden diese Tücher für viele unterschiedliche Zwecke verwendet: Das klassische Hamamtuch mit Maßen von zwei mal einem Meter wird natürlich im orientalischen Bad benutzt – aber es ist auch perfekter Begleiter zum Strand oder beim Yoga. „Diese Tücher sind unheimlich praktisch, denn sie sind handlicher als herkömmliche Frotteetücher“, erklärt Tina den Unterschied. „Und die Baumwolle trocknet schnell.“ Zudem findet es bei vielen tunesischen Haushalten Verwendung als Tischdecke und als Vorhangstoff. Die handgewebten Tücher in zwei mal drei Metern eignen sich locker als Tagesdecke oder Sofaüberwurf und können ein wenig Urlaubsflair in die vier Wände zaubern.

Traditionelle Handwerkskunst

Die ersten Tücher, die Tina und Raja zunächst nur spaßeshalber mit nach Deutschland gebracht hatten, seien im Online-Verkauf praktisch sofort wieder weg gewesen, erinnert sich das Paar. „Und die Leute haben gefragt, ob es nicht einen Laden für diese Tücher gibt“, erzählt Tina. „Da haben wir überlegt, dass wir das richtig anmelden, uns alle Genehmigungen besorgen, um Tücher nach Deutschland zu importieren und hier verkaufen zu können.“ Seitdem gibt es „Sidi Beau“ mit einem Online-Shop. Dass nur pflanzliche Fasern ohne Chemie verarbeitet werden, ist Tina und Raja genauso wichtig wie eine faire Produktion. Die Hamamtücher, die sie nach tunesischen Orten wie „Djerba“, „Kerkennah“ oder „Mahdia“ benannt haben, stammen aus kleinen Familienbetrieben an der tunesischen Westküste.

Auswahl vor Ort

„Normalerweise suchen wir wirklich jeden Stoff und jedes Muster persönlich aus, wenn wir in Tunesien sind, aber durch die Pandemie ist das zurzeit schwierig“, sagt Raja, der sich gut vorstellen kann, spätestens im Rentenalter in Tunesien zu leben – „dann sitzen wir in unserem Garten voller Jasmin, trinken Tee und haben zwei Esel, vielleicht auf Djerba. Das ist schön klein, jeder kennt jeden.“ Tina liebt (und vermisst zurzeit auch) die Entschleunigung während ihrer Reisen. „Sie ist fast mehr Tunesierin als ich“, scherzt Raja. „Sie mag scharfes Essen, kann tatsächlich schneller arabisch lesen als ich und spricht auch die Sprache “ Tina winkt ab: „Ich kann mich ein wenig verständigen; das ermöglicht mir als Europäerin fernab der Touristengegenden ein Stück Unabhängigkeit und zaubert den Einheimischen meist ein erstauntes Lächeln ins Gesicht.“

Kennenlernen

Im Moment gibt es aber für das kleine StartUp in Deutschland genug zu tun: An die 1000 Tücher mit ganz unterschiedlichen Farben, Mustern und Strukturen lagern in einem riesigen Schrank in Tinas und Rajas Arbeitszimmer – für Interessenten durchaus praktisch: „So kann man bei uns ganz unkompliziert Tücher kaufen“, sagt Tina. „Nachbarn können nach kurzer Terminabsprache einfach vorbeischauen. „Wir haben festgestellt: Das ist irgendwie auch schön, man lernt nette Leute kennen, obwohl man schon jahrelang Tür an Tür wohnt.“

Wer mehr über Tina und Raja, ihre handgewebten Tücher und Reisen nach Tunesien wissen möchte: Hier ist die Internetseite von „Sidi Beau“. Dort findet Ihr auch Kontaktmöglichkeiten, falls Ihr Euch für die Hamamtücher interessiert. Es soll auch besondere Nachbarschaftsangebote geben.

Tina und Raja Boujemil mit einem Stapel Hamam-Tücher auf ihrem Balkon am Helgolandring.

Fotos ganz oben/ganz unten: Tanja Wuschof
Fotos aus Tunesien: Tina & Raja Boujemil
Fotos von Tüchern: Sidi Beau