110 Jahre „Elektrische“ auf der Margarethenhöhe

110 Jahre „Elektrische“ auf der Margarethenhöhe

7. November 2024 2 Von Heinz Kaschulla
Heinz Kaschulla
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Heinz Kaschulla lebt seit über 70 Jahren auf der Margarethenhöhe. Er trägt persönliche Erinnerungen und historische Fakten über seinen Heimatstadtteil zusammen - für sich selbst, seine Kinder und Enkelkinder. Und auch für diesen Blog stellt er seine umfangreichen Recherchen zur Verfügung.


Am 1. Dezember 1914 konnte zum ersten Mal eine Straßenbahn über die Brücke fahren, die über das Mühlbachtal gebaut wurde und Holsterhausen mit der sich im Bau befindlichen Margarethenhöhe verband. Aber zuerst eine kurze Geschichte zum Personenverkehr mit Straßenbahn in Essen

Personenverkehr in Essen

Ende des 18. Jahrhunderts wurden die ersten Personentransporte in Essen durch die Posthalterei
van Eupen durchgeführt.  Die Fahrgäste durften nur an festgelegten Punkten ein- und aussteigen, sogenannten Personenposten. Später hießen sie Haltepunkt, Halteplatz, Haltestelle und nicht zuletzt Post-Haltestelle.

Bis 1868 fand dies mit Postkutschen statt, dann wurden die Kutschen durch Omnibusse abgelöst, die aber immer noch von Pferden gezogen wurden. Mit dem Einsatz dieser Omnibusse wurden auch festgelegte Fahrstrecken eingerichtet, deren Nutzung mit den zu diesem Zeitpunkt eingeführten Fahrscheinen möglich war.

Im Kaiserreich gab es schon die ersten auf Schienen laufenden Fahrzeuge. Diese wurden meist durch Zugmaschinen bewegt, die mit Dampf betrieben wurden. Teilweise gab es auch schon Zugeinrichtungen mit elektrischem Antrieb. Es sollte aber noch 20 Jahre dauern, bis sich in Essen das Konsortium „Bank für Handel und Industrie – Hermann Bachstein“ bildete, das in Essen Schienenverkehr realisieren wollte.

Die Planung benötigte weitere vier Jahre. In dieser Zeit fand der Schwenk von mit Dampf betriebenen Zugmaschinen zu einer Elektrischen hin statt. Nach dem Baubeginn 1892 wurden bereits nach ca. einem Jahr die Strecken vom Hauptbahnhof zum Bahnhof Altenessen und zum Germaniaplatz in Borbeck eröffnet und in Betrieb genommen.

Aus dem o.g. Konsortium bildete sich Ende des 19. Jahrhunderts die „Süddeutsche Eisenbahn Gesellschaft“ (SEG), die ab diesem Zeitpunkt die Straßenbahnen in Essen betrieb.


Die Straßenbahn-Linien erhielten eine Nummerierung

Im Jahr 1907 wurden von der SEG bereits zehn Linien betrieben. Um für die Fahrgäste die Identifikation der Bahn, die zu dem gewünschten Ziel fuhr, und auch dem Bahnbetrieb seine Aufgaben zu erleichtern, wurden Linien-Nummern eingeführt. Die Linie, die uns Bewohner der Margarethenhöhe besonders interessiert, war die Linie mit der Nummer 7. Nicht im Jahr 1907 interessierte uns das bereits, doch später umso mehr.

Die Linie 7 führte Anfangs vom Hauptbahnhof Richtung Stoppenberg, Schonnebeck, Rotthausen bis Grenze Gelsenkirchen. Als diese Linie nach Süden ausgebaut wurde, erreichte sie in Holsterhausen die Virchowstraße.

Die Brücke übers Mühlbachtal

Georg Metzendorf war zum 1. Januar 1909 von der Stadt Essen angestellt worden, um die von Margarethe Krupp gestiftete Wohnsiedlung zu bauen. Die Planungen und die ersten Baumaßnahmen begannen schon bald für Straßen und Häuser, vorrangig aber auch für die Brücke, damit die Massen von Baumaterial eben über diese Brücke so schnell wie möglich auf das Baugelände gebracht werden konnten.

Die Baumaßnahme an der Brücke war 1911 abgeschlossen, doch die mit Steinblöcken aus Ruhrsandstein gemauerte Außenhaut und der mit passendem Baumaterial verfüllte Körper der Brücke mussten sich setzen, aushärten und trocknen, bevor sie größerer Belastung ausgesetzt werden konnten.

In der Zeit zwischen Fertigstellung und Austrocknung durften lediglich Fußgänger und Radfahrer die Brücke benutzen.


Vorbereitung und Realisierung der Straßenbahn-Trasse zur Margarethenhöhe

Für den Anschluss der Margarethenhöhe an das Straßenbahn-Netz über Holsterhausen musste eine Trasse vorbereitet werden. Die Trasse zur neuen Brücke über das Mühlbachtal musste für Straßenverkehr, Fußgänger und den Gleisbereich der Straßenbahn geplant, in der Verwaltung durchgesetzt, beschlossen und gebaut werden. Auch die teilweise Verlegung und oder Umbenennung von existierenden Straßen musste geregelt und in der Stadtverwaltung beschlossen werden.

Die Straßenbahnen fuhren von der Stadtmitte bis und durch Holsterhausen über die zuletzt und bis heute so genannte Holsterhauser Straße, die vorher andere Bezeichnungen hatte. Die Schienenanlage endete an der Virchowstraße, und eine Verlegung in Richtung der neuen Trasse musste geplant werden.

In der ersten Bauphase der Margarethenhöhe wurde die Holsterhauser Straße noch zwischen der heutigen Uni-Klinik und der DRK-Schwesternschaft und -Akademie hindurch ins Sommerburg-Tal geführt und trat bei der heutigen AWO Senioren-Wohnanlage aus dem Wald heraus. Ab hier führte sie durch die Siedlung zur Sommerburg Straße.

Der Plan der städtischen Verwaltung war, dass die Holsterhauser Straße die neue Straßen-Anbindung der Margarethenhöhe sein sollte und damit zur Brücke führen musste, also waren Maßnahmen erforderlich.

1911 wurde das Stück der Holsterhauser Straße von der bisherigen Straßenführung, also von v.g. Kreuzung Richtung Margarethenhöhe bis zur Sommerburgstraße, umbenannt in Hohlweg. Grundstücke mussten in Holsterhausen gekauft werden, dann erst konnte der Ausbau der o.g. Trasse von eben dieser o.g. Kreuzung bis zur neuen Brücke in Angriff genommen werden. Dazu gehörten auch viele Veränderungen an existierenden Straßen wie z.B. Achenbachstraße / Achenbachhang etc.

Nach Fertigstellung der neu geschaffenen Trasse für den individuellen Verkehr und die Straßenbahn wurde diese als Verlängerung der existierenden Holsterhauser Straße dieser zugewidmet und entsprechend genannt.

Die ersten Schienen am „Holsterhauser Berg“

Nach Fertigstellung der Trasse für öffentlichen Straßenverkehr und die Straßenbahn wurden die Schienen aus Holsterhausen heraus über die Kreuzung Holsterhauser-, Kaulbach- und Hufelandstraße den Berg hinab zur Kreuzung der Straßen Am Mühlbachtal, Halbe Höhe und eben der Holsterhauser Straße gelegt.

Vor dieser Kreuzung wurde eine Haltestelle eingerichtet, die beide Fahrtrichtungen der Straßenbahn bedienen konnte.  Der Fahrtrichtungswechsel der Straßenbahnzüge von ankommenden auf abgehenden Richtungsverkehr erfolgte durch entsprechende Weichen in den Schienen für den Spurwechsel.

Diese Haltestelle wurde offiziell „Mühlbachtal“ genannt. Im allgemeinen Sprachgebrauch, auch in den Zeitungen wie z.B. der „Essener Volkszeitung“ (Bekanntmachung im Juli 1912), wurde aber von der Haltestelle „Margarethenhöhe“ gesprochen.

Die offizielle Eröffnung dieser Haltestelle fand am 1. Juli 1912 statt.


Fahrkartenverkauf und Wartehalle

Georg Metzendorf hatte in seinen ersten Plänen vorgesehen, am Ende der Brücke auf der Seite der Margarethenhöhe zwei kleine Brückenhäuser einzurichten.

Nach Fertigstellung der Brücke, des Brückenkopf-Gebäudes und der beiden kleinen Brückenkopf-Häuser rechts und links entschied er sich jedoch zu diesem Zeitpunkt, diese beiden Brückenhäuser stattdessen auf Holsterhauser Seite aufstellen zu lassen.

Sinnvoll war es, das gewaltige Ensemble des Brückenkopf-Gebäudes etc. etwas zu entlasten und zudem an der Endhaltestelle der Straßenbahn Einrichtungen für Fahrkartenverkauf und Wartebereiche für die Fahrgäste bei ungünstigem Wetter vorzuhalten.

Die erste Fahrt der Straßenbahn über die Brücke

Während der Aushärtungszeit des Baukörpers der Brücke konnten dann natürlich die Schienen für die Straßenbahn bereits gelegt werden, das geschah auch.

Auch wurde während dieser Bauphase ein Notdurft-Häuschen für das Bahn-Personal innerhalb des Waldstücks eingerichtet. Es sollte sicher nicht in dem neuen Stadtteil, in dem die Häuschen mit innenliegenden und wassergespülten Toiletten ausgestatteten waren, die Notdurft vom Bahnpersonal im Wald erledigt werden müssen.

Endlich 1914 hatte sich dann die Baumasse der Brücke so verfestigt, dass sie belastet werden konnte.

Am 1. Dezember 1914 konnte zum ersten Mal eine Straßenbahn offiziell über die Brücke fahren, die die Stadt Essen über Holsterhausen mit der sich im Bau befindlichen neuen Siedlung Margarethenhöhe verband.


Linie 7 zur Margarethenhöhe und viele weitere Linien-Kennzeichnungen

Die Linien-Kennzeichnung 7 ist für die Bewohner der Margarethenhöhe fest in der Erinnerung verknüpft. Es gab noch viele andere Bahn-Kennzeichnungen, die hier eintrafen – doch immer mit einer „7“.

Fast, denn es gab zeitweilig zwei Abweichungen, die „8“ und „10“. Aber die Hauptlinien-Kennzeichnung zur Margarethenhöhe war und blieb die 7.


Die Linie 17 fuhr dieselbe Strecke Richtung Gelsenkirchen, wählte nur im letzten Stück dort eine andere Strecke und erhielt deshalb die Kennzeichnung 17. Weil es auf dieser Strecke in den Hauptverkehrszeiten sehr viele Fahrgäste gab, wurden bedarfsweise Verstärkungszüge eingesetzt, die dann die Nummern 27 und 37 trugen.

Als die Schienenanlagen zur und auf der Margarethenhöhe geändert wurden, konnte keine Straßenbahn fahren. Es wurde sogenannter Schienenersatzverkehr durch Busse eingesetzt. Die Busse trugen die Kennzeichnung 57.

Als dann der Umstieg auf U-Bahn-Betrieb erfolgte, erhielten diese Züge die Kennzeichnung U17.


Die EVAG entsteht

Aus dem Konsortium „Bank für Handel und Industrie – Hermann Bachstein“ hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts die „Süddeutsche Eisenbahn Gesellschaft“ (SEG) gebildet, die ab diesem Zeitpunkt die Straßenbahnen in Essen betrieb – bis 1954, dann firmierte das Unternehmen um in „Essener Verkehrs AG“ (EVAG). 2017 wurde der Name der Gesellschaft schließlich in Ruhrbahn umbenannt.

Bildnachweise:
Die Fotos wurden dankenswerterweise von der VHAG-Essen bereitgestellt, teilweise aus den Büchern der VHAG „100 Jahre Essen auf Draht“ und „Auf Schienen“ als Scan.
Die Bilder der Brücke stammen aus den Archiv der BSM.
Die „Bekanntmachung“ stammt aus den Archiv der Essener Volkszeitung.