Herbstgedanken

Herbstgedanken

26. Oktober 2021 4 Von Tanja Wuschof

Wenn sich der Sommer dem Ende neigt, überkommt uns erstmal ein Gefühl der Traurigkeit. Es ist, als verlieren wir unsere Leichtigkeit, die uns ein lockeres Shirt, kurze Hose und Flip Flops gegeben haben. Verbunden mit dem Verlust des Lichtes – des langen Tages – der gefühlten Zeit.

Ich streife mir eine Jacke über, um mich für den Tag zu wappnen. Der Regen und die dunklen Wolken tragen eine Schwere in sich, als wollten sie ihre Last mit mir teilen. Ich möchte den Sommer nicht gehen lassen und tue mich schwer damit, zu akzeptieren, dass er vorbei ist. Vielleicht, weil der Herbst mit seinem kühlen Wind, seiner Dunkelheit und seinen verblassenden Farben eine Melancholie mit sich bringt, die jeden zwingt, sich mit sich selbst zu beschäftigen.

Morgens klingelt der Wecker, ich knipse das Licht an, weil mich fortan die Sonne nicht mehr an der Nase wach kitzelt und der Tag etwas länger schlafen darf als ich selbst. Der Lieblingskuschelpulli umarmt mich, noch bevor der Duft von frischem Kaffee meine Seele streichelt. Mein Zuhause hüllt sich ins warme Licht kleiner Lampen, während draußen ganz langsam der Tag dämmert, dessen Kälte ich, mit beiden Händen die Tasse Kaffee umfassend, am Fenster beobachte.

Am gegenüberliegenden Haus sieht man den rot gefärbten Wein ranken, die prachtvollen Kronen der Bäume lichter werden. Alles geht in Vorbereitung auf einen späteren Neuanfang. Zeit für das Abwerfen von Ballast und alten Geschichten. Eine Phase der Regeneration und Besinnlichkeit.

Die Natur macht es uns vor, indem sie ihr grelles Sommerkleid gegen warme, deckende Farben tauscht, die uns helfen, uns langsam auf die kommenden Monate einzulassen. Wir entschleunigen und genießen das raschelnde Laub unter unseren Füßen. Den ersten kühlen Atemzug, der uns von innen mobilisiert.

Jeder einzelne Sonnenstrahl lässt uns innerlich feiern, weil sie Sonne sich rar macht. Jedes Vogelzwitschern trägt einen zauberhaften Klang, weil wir fortan daran erinnert werden, dass nichts selbstverständlich ist. Der Herbst erdet uns, verbindet uns mit uns selbst.

Was haben wir für ein Glück, auf der Höhe zu wohnen, die uns mit ihrem prachtvollen Herbstkleid und der Nähe zur Natur den Abschied des Sommers so leicht macht.

Text & Fotos: Tanja Wuschof